
Berlin, 14.10.2025 – Fast jede:r dritte junge Erwachsene in Deutschland gerät mit der eigenen Familie in Konflikt, wenn es um Liebe, Dating oder Geschlechterrollen geht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Tinder¹:
Dabei wissen junge Menschen meistens genau, wie sie lieben wollen – aber zu Hause fällt es ihnen oft schwer, offen darüber zu sprechen.
Alltagssituationen voller unausgesprochener Erwartungen
Gerade wenn junge Menschen das Elternhaus verlassen und ihr Leben zunehmend eigenständig gestalten, werden familiäre Erwartungen besonders spürbar – etwa bei Besuchen, zu Feiertagen oder wenn Gespräche nur noch aus der Ferne stattfinden. Scheinbar harmlose Fragen wie „Hast du jemanden kennengelernt?“ oder „Wann bekomme ich Enkelkinder?“ können erheblichen Druck erzeugen und zu emotionalen Konflikten führen.
Psychologin Pia Kabitzsch ordnet diesen Konflikt wie folgt ein: „In der Elterngeneration dominiert häufig ein sehr klares Bild davon, was ein „gutes Leben“ bedeutet – etwa Heirat, Kinder und ein stabiles Zuhause. Diese Vorstellung wird oft – aus Fürsorge und Liebe – auf die Kinder übertragen, was nicht selten Druck auslöst, wenn die nächste Generation andere Wege gehen möchte. Wenn Lebensentwürfe nicht zusammenpassen, sind Spannungen fast vorprogrammiert – und gerade dann braucht es Offenheit, Respekt und Gesprächsbereitschaft.“
Genau diese Gesprächskultur über Emotionen und das Liebesleben hat die junge Generation verändert: Themen wie Queerness, alternative Beziehungsformen und ein offener Umgang mit Emotionen, die früher kaum zur Sprache kamen, werden heute deutlich offener besprochen und sind für viele junge Menschen selbstverständlich – für ältere Generationen wirkt das jedoch oft wie eine völlig neue Welt und Sprache.
Tinders Zahlen und Nutzerverhalten belegen deutlich: Während zu Hause oft Schweigen herrscht, fühlt sich die Generation der Gen Z online freier. Online können sie Identitäten erkunden, Beziehungen ausprobieren und zeigen, wer sie wirklich sind – ohne Angst vor schnellen Urteilen. Für viele junge Menschen ist Tinder oft der erste Ort, an dem sie selbst sein können, frei von Erwartungen oder Urteilen. Tinder Daten zeigen², dass 74 % der Gen Z Dating-Apps als eine Möglichkeit sehen, ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität authentisch zeigen zu können und 59 % der LGBTQIA+ Singles der Gen Z outen sich sogar zuerst auf einer Dating-App, noch bevor sie darüber mit Freund:innen oder Familie sprechen.
Um diese Offenheit auch in Familiengespräche zu tragen, und den Dialog zwischen den Generationen zu fördern, hat Psychologin Pia Kabitzsch Hilfestellungen entwickelt – einen praktischen Gesprächsleitfaden und drei Tipps, um die eigenen Emotionen in schwierigen Gesprächen zu regulieren. Beides soll dabei unterstützen, am Familientisch ohne Druck über Liebe, Identität und Dating zu sprechen.
Psychologin Pia Kabitzsch gibt Eltern folgenden Gedanken mit auf den Weg:
„Es geht nicht darum, alles sofort zu verstehen. Es reicht oft schon, da zu sein, zuzuhören und nicht direkt zu werten. Nähe und Offenheit entstehen nicht durch Perfektion, sondern durch das Gefühl: Ich darf so sein, wie ich bin..“
Gesprächsleitfaden für Eltern: Offen in Familien über Liebe und Identität sprechen
1. Fragen wertschätzend stellen
Statt: „Hast du schon einen Freund / eine Freundin?“
Besser: „Gibt es jemanden, der dir im Moment wichtig ist?“
➡ Offen für alle Identitäten, ohne Druck.
2. Erwartungen loslassen
Statt: „Wann bekomme ich endlich Enkelkinder?“
Besser: „Ich bin neugierig, welche Pläne du für deine Zukunft hast – was wünschst du dir?“
➡ Signalisiert Interesse an den eigenen Vorstellungen des Kindes, nicht an gesellschaftlichen Normen.
3. Zuhören statt interpretieren
Statt: „Das ist bestimmt nur eine Phase.“
Besser: „Danke, dass du das mit mir teilst. Willst du mir mehr darüber erzählen?“
➡ Ernst nehmen statt kleinreden.
4. Unsicherheiten zugeben
Statt: So tun, als wüsste man alles.
Besser: „Ich kenne mich mit dem Thema nicht so gut aus, aber ich möchte dich verstehen. Kannst du mir erklären, was es für dich bedeutet?“
➡ Ehrlichkeit schafft Vertrauen.
5. Nähe zeigen
Statt: „Das musst du mit dir selbst ausmachen.“
Besser: „Du bist mir wichtig, und ich möchte an deiner Seite sein, egal, welchen Weg du gehst.“
➡ Bestätigung, dass Liebe und Zugehörigkeit nicht an Bedingungen geknüpft sind.
6. Gespräch offenhalten
Statt: Ein Thema nach einem Gespräch abhaken.
Besser: „Danke, dass du so offen warst. Lass uns jederzeit weiter darüber sprechen, wenn du möchtest.“
➡ Zeigt: Es gibt Raum für wiederkehrenden Dialog.
Gesprächsleitfaden für junge Menschen im Gespräch mit der Familie
1. Den richtigen Moment wählen
Tipp: Suche dir einen ruhigen Moment, etwa beim Spaziergang oder nach dem Essen, statt ein wichtiges Thema zwischen Tür und Angel anzuschneiden.
2. Über Gefühle sprechen statt über Labels
Statt: „Ich muss dir jetzt erklären, was ich bin.“
Besser: „Mir ist wichtig, dass du weißt, was ich fühle und was mich glücklich macht.“
➡ Weniger Druck auf „Definitionen“, mehr Fokus auf Emotionen.
3. Eigene Wünsche klar machen
Beispiel: „Ich wünsche mir, dass du mir zuhörst, auch wenn du vielleicht nicht alles sofort verstehst.“
➡ Hilft Eltern zu erkennen, dass Nähe wichtiger ist als perfekte Antworten.
4. Fragen zulassen
Beispiel: „Es ist okay, wenn du Fragen hast. Ich versuche, sie so gut es geht zu beantworten.“
➡ Nimmt Eltern die Angst, etwas „falsch“ zu machen.
5. Grenzen setzen
Beispiel: „Es gibt Themen, über die ich gerade nicht sprechen möchte, aber das heißt nicht, dass ich dir nicht vertraue.“
➡ Signalisiert Offenheit, aber auch Selbstschutz.
Damit diese wichtigen Dialoge nicht in Streit oder Rückzug enden, hat Psychologin Pia Kabitzsch drei einfache Strategien zusammengestellt, die helfen, in schwierigen Momenten ruhig zu bleiben und wieder ins Gespräch zu finden.
3 Tipps, um Emotionen zu regulieren
1. Kurz innehalten
Statt sofort zu reagieren, nimm dir einen Moment: tief einatmen, langsam ausatmen, innerlich sagen: „Ich darf mir Zeit nehmen.“ Diese Mini-Pause beruhigt dein Nervensystem und gibt dir die Möglichkeit, bewusst statt impulsiv zu antworten.
2. Perspektive wechseln
Wenn dich eine Frage verletzt oder triggert, erinnere dich: „Das sagt mehr über die andere Person aus als über mich.“ Dieses innere Reframing schützt dein Selbstwertgefühl und hilft, Distanz zu gewinnen.
3. Körper bewusst spüren
Stell deine Füße fest auf den Boden, presse Daumen und Zeigefinger leicht zusammen oder berühre unauffällig ein Schmuckstück. Solche kleinen, sensorischen Reize holen dich aus dem Gedankenkarussell zurück in den Moment – und wirken sofort beruhigend.
Legende
1 Die Umfrage unter 3.000 18- bis 25-Jährigen in Deutschland, wurde im Auftrag von Tinder von dem Marktforschungsunternehmen Opinium durchgeführt. Die Daten wurden zwischen dem 11. März 2025 und 20. März 2025 erhoben.
² Eine Umfrage, die vom 28. Mai bis zum 7. Juni 2024 unter 4.000 Befragten aus der LGBTQIA+ Community im Vereinigten Königreich, den USA, Australien und Kanada im Alter von 18 Jahren und darüber durchgeführt wurde.